Mittwoch, 26. November 2008
Kinder, Kinder
"Ich habe ihm schon gesagt...wenn er mal eine Freundin hat, soll er ihr gleich unbedingt sagen, daß er keine Kinder will!".

Mein Mund steht weit offen. Ich habe das Gefühl keine Luft zu bekommen vor Wut und sage nichts...gar nichts. Meine Mutter sieht mich rot anlaufen und tritt mir unter dem Tisch gegen das Bein. Ich atme tief durch und sage, daß ich neuen Kaffee holen werde.

Er ist gerade neun Jahre alt geworden, wir feiern seinen Geburtstag und er ist schwerhörig. Wir, seine Eltern, haben ihm das durch eine unglückliche Genkonstellation vererbt. Seiner Oma haben wir bestimmt schon hundertmal erklärt, wie sowas zu Stande kommt. Sie hat es nicht verstanden.

Als ich aus der Küche zurück komme, erklärt sie gerade meiner Mutter, daß es der arme Junge mal sehr schwer haben werde. Gereizt frage ich sie, wie sie darauf kommt. Sie antwortet, er werde später ganz furchtbare Schwierigkeiten haben einen Job zu finden...er werde mal nehmen müssen was er so bekommen könne. So einen will ja schliesslich kein Chef haben, so einen mit Hörgeräten.

Ich denke daran, wie sie vor ihren Freundinnen prahlt, ihr Enkel sei hochgebabt und frage mich, welche Meinung nun wirklich ihre eigene ist. Ich antworte ihr nicht, meine Wut ist zu groß und ich will niemandem die Feier vermiesen. Als sie endlich geht, macht sich bei mir die Erleichterung breit. Unsere Zusammentreffen verlaufen jedesmal sehr angespannt, obwohl ich mich sehr um Freundlichkeit bemühe.

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Mittwoch, 12. November 2008
Krankenhaus
Damals hatte ich gerade kein Auto. Unachtsam wie ich war hatte ich den Zahnriemen nicht austauschen lassen und mein alter Golf hatte mich 100 km entfernt von zuhause einfach so im Stich gelassen. Der Fahrer hinter mir war glücklicherweise Automechaniker und konnte mir unglücklicherweise gleich bescheinigen, daß da nichts mehr zu machen ist. Also war ich mit dem Zug unterwegs zu ihm in die Klinik für Hörgeschädigte. Kurz vor seiner Einschulung haben wir erfahren, was wir schon so lange geahnt hatten. Die Gespräche voller versteckter Schuldzuweisungen und Angst. Dies sollte der einzige Tag sein, an dem ich ihn besuchen durfte. Man hatte mir gesagt, daß ohnehin nur eine Person am Tag zu ihm dürfe und alle anderen wollen ja auch noch.

Zwei Stunden war ich unterwegs, gefühlt waren es vier...einmal bin ich in den falschen Bus gestiegen und musste den kompletten Weg wieder zurück. Die ganze Fahrt habe ich mir ausgemalt wie es ind er Klinik wohl sein würde, was man da mit ihm machen würde und was ich alles fragen möchte.

Als ich in der Klinik an kam war er gar nicht auf Station. Auf dem Spielplatz draussen saß er ganz allein, abseits von den anderen Kindern. Er wirkte immer schon etwas eigenbrötlerisch...spielte lieber alleine mit seinen Legos als mit anderen Kindern. Trotzdem musste ich meine Tränen erstmal runterschlucken.

Es war eine ganz eigenartige Situation für mich. Ich wusste gar nicht was ich ihm erzählen und was ich tun soll. Zum ersten mal seit langem habe ich mich da wieder so richtig hilflos gefühlt. Meine ganzen Fragen waren weg und es war so ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte.

Nur diese eine mal habe ich ihn in der Woche in der Klinik besucht und mir deswegen später bittere Vorwürfe anhören müssen. Im Stich gelassen hätte ich ihn...

Bis heute denke ich, daß ich mich damals mehr hätte durchsetzen sollen. Ich hätte einfach nochmal kommen sollen, statt mir gleich sagen zu lassen, daß andere ihn auch noch besuchen wollen.

Hätte, wollte, könnte...die Vergangenheit lässt sich nicht ändern. Daraus lernen lässt es sich und stärker kann sie einen auch machen.

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Dienstag, 11. November 2008
Friseur-Gespräche
Er fragte sie ganz unverblümt: "Wieso fehlen Deine Beine ? Und warum hast Du nur einen Arm ?". Meine Mutter ist mit ihm beim Friseur und er hat die andere Kundin schon eine ganze Weile betrachtet. Die Neugier übermannt ihn zuletzt und meine Mutter beginnt schon sich zu schämen.
Unverschämtheit...das Wort kennt er gar nicht. Er will einfach nur alles wissen.

Er hört gebannt zu, als ihm erklärt wird, warum der Frau ein Arm und zwei Beine amputiert wurden. Sie erzählt es mit ganz weicher Stimme während er förmlich an ihren Lippen hängt. Als sie ihre Erzählung beendet hat, legt er den Kopf schief und schaut sie an. Er lächelt und fragt:"Bist Du behindert?". Sie bejaht und er antwortet: "Ich bin auch behindert. Ich bin leise geboren".

Meine Mutter hat vor Stolz über diese/seine Erkenntnis und seine unbefangene Art ganz leise geweint. Beim Friseur.

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Mittwoch, 5. November 2008
Hilflosigkeit
Laut gesprochen habe ich, gerufen, dann geschrien.
Bis sich das kleine Kindergesicht zu mir umdrehte und mich fragte "Waff?". Verzweifelt war ich, weil er einfach nicht hören wollte.

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